Elmar L. Kuhn

Eitelhans Ziegelmüller, der Bauernkrieg und Oberteuringen


Gerichtsherrschaft

Bei der Gerichtsherrschaft, die die eigentliche politische Herrschaft begründete, sind hohes und niederes Gericht zu unterscheiden. Als Teil des Linzgaus gehörte die Teuringer Gegend bis ins 15. Jahrhundert zum Hochgerichtsbezirk der Grafschaft Heiligenberg. In der Grafschaft sprach das Landgericht, ursprünglich eine Versammlung der Freien des Linzgaus, später vom Graf berufene zwölf Urteilsprecher unter Vorsitz des freigelassenen Landrichters und in Anwesenheit des gräflichen Vogts von Heiligenberg quasi als „Staatsanwalt“, Recht über alle Kriminalfälle, die „Ehre, Leib oder Leben“ betrafen, und über Streitigkeiten über bäuerliches Eigen. Eine der Stätten, wo das Gericht tagte, war vom 13. bis 16. Jahrhundert in Bitzenhofen, zuletzt allerdings nur noch einmal im Jahr. Vom Landgericht ging die Berufung an den Grafen selbst. Der Linzgau wie ursprünglich das Gebiet der Grafschaft Heiligenberg reichte östlich bis an die Schussen. Aber seit dem frühen 15. Jahrhundert machten die Inhaber der Landvogtei den Grafen von Werdenberg als Besitzer der Grafschaft Heiligenberg den breiten Gebietsstreifen zwischen Schussen und Rotach/Lipbach streitig. Die Landvogtei war von König Rudolf von Habsburg eingerichtet worden, um die verbliebenen, sehr disparaten Rechte des Reiches in Oberschwaben zu verwalten. Als die Vogtei 1415 an die Truchsessen von Waldburg verpfändet wurde, sahen diese eine Chance, ihre eigene Herrschaft mit Hilfe dieses Pfands zu erweitern und den bloßen „Regaliendistrikt“ zu einem Territorium auszubauen. Durch Gewalt und Terror gegenüber heiligenbergischen Beamten und den Bewohnern gelang es den Truchsessen, den genannten Gebietsstreifen bis an den Bodensee von der Grafschaft Heiligenberg los zu reißen und der Landvogtei anzugliedern. Auch Zeugenverhöre und Urteilssprüche von Gerichten zu ihren Gunsten nutzten den Grafen von Werdenberg nichts. Ihr Recht hatte gegen die Macht Österreichs, die hinter den Landvögten stand, keine Chance. Stand der Galgen der Grafschaft Heiligenberg bis ins späte 15. Jahrhundert östlich der Rotach auf einem Gütlein namens „Henklehen“ auf Teuringer Markung, so stand dort fortan der Galgen der Landvogtei in Sichtweite des Heiligenberger Galgens, der auf das westliche Rotachufer bei Althaus verlegt werden musste. Alte Karten zeigen die beiden Galgen zu beiden Seiten der Rotach nördlich von Oberteuringen.

Wichtiger als das Hochgericht war das Niedergericht, das über die häufigeren einfachen Vergehen richtete, mit der Polizei-, Wehr- und vor allem der Steuerhoheit verbunden war und durch Gebote nahezu alle Lebensbereiche regeln konnte. Nur über das Niedergericht, möglichst in Verbindung mit anderen Rechten, konnte die volle Landesherrschaft erreicht werden. Das Stift St. Johann in Konstanz hatte 1296 zusammen mit der Grundherrschaft eigentlich auch „Zwing und Bann“, d.h. das Niedergericht im Ort erworben. Es konnte dieses Recht aber gegen die Grafen von Werdenberg nicht durchsetzen. Als im 15. Jahrhundert die Chorherren in einem Haus in Oberteuringen eine Gerichtssitzung abhalten wollten, erschien der Graf, worauf die Richter fluchtartig das Haus verließen. Der Graf drohte dem Hausherrn, lasse er nochmals ein Gericht des Stifts in seinem Haus zu, werde er dafür sorgen, dass „ihm das Blut über die Augen herabrinne“. So blieb hier das Niedergericht in der Hand des Hochgerichtsherrn, zunächst der Grafen von Werdenberg und seit dem späten 15. Jahrhundert der Landvogtei. Allerdings verkaufte der Graf von Werdenberg 1413 die Herrschaft Schmalegg an die Reichsstadt Ravensburg. Zu dieser Herrschaft gehörte unter anderem Besitz um Bitzenhofen und Neuhaus, das Patronat über die Pfarrei Oberteuringen samt deren Güter. Aus diesen Rechten konnte die Reichsstadt in der Folge geschlossene Niedergerichts-Herrschaften um Neuhaus und in Oberteuringen beschränkt auf Kirche, Pfarr- und Widdumhof, Mesner- und Frühmesshaus mit Gärten innerhalb des Etters formieren. Diese kleine inselartige Herrschaft konnte Ravensburg auch gegen die Landvogtei behaupten, die 1537 in einem Vertrag die Ravensburger Rechte anerkannte. Die Ravensburger Herrschaft Neuhaus lag im verbliebenen Heiligenberger Hochgerichtsbezirk westlich der Rotach.

Innerhalb der heutigen Oberteuringer Gemeindegrenzen befanden sich also seit dem späten 15.Jahrhundert folgende Gerichtsbezirke:

  • Die Rotach trennte die Hochgerichte der Grafschaft Heiligenberg auf der westlichen Seite von der mittelbar seit 1473/1486, unmittelbar seit 1541 österreichischen Landvogtei auf der östlichen Seite.

  • In ihrem Hochgerichtsbezirk auf der östlichen Seite der Rotach nahm die Landvogtei auch das Niedergericht wahr mit Ausnahme der kleinen Herrschaft der Reichsstadt Ravensburg um die Pfarrkirche.

  • Auf der westlichen Rotachseite waren die Reichsstadt Ravensburg wiederum Niedergerichtsherr in ihrer Herrschaft Neuhaus und das Kloster Weißenau in Unterteuringen.

Das heutige Gemeindegebiet teilten sich also vier spätere Landesherrschaften, quasi Kleinstaaten, der Ort selbst gehörte zu zwei verschiedenen „Staaten“.

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