Elmar L. Kuhn

Oberschwaben und das Konzil von Konstanz 1414-1418


Regionale Erinnerung

Dass wir vom Konstanzer Konzil so viel wissen und dass wir auch bildliche Vorstellungen von den Vorgängen in Konstanz haben, verdanken wir dem Konstanzer Stadtschreiber Ulrich Richental, der eine Konzilschronik verfasste und sie auch illustrieren ließ. 16 Handschriften von ihr sind bekannt, acht davon bebildert, das lässt auf ein großes Interesse der Zeitgenossen schließen. Richental konnte allerdings nur berichten, was er als Bürger wahrnehmen konnte, an den Beratungen konnte er nicht teilnehmen. Mehr darüber wüssten wir, wenn ein Codex erhalten geblieben wäre, der im Kloster Salem aufbewahrt wurde. Er enthielt außer der Richental-Chronik eine Sammlung der amtlichen Dokumente und Beschlüsse des Konzils. Leider ist er beim großen Klosterbrand 1697 vernichtet worden.

Die Ereignisse des Konstanzer Konzils gelten heute als gut erforscht. Aber was hat man in den Jahrhunderten danach in den hiesigen Chroniken für erinnernswert gefunden? In zwei Adelschroniken aus Oberschwaben wird Jahrhunderte später des Konzils von Konstanz gedacht. Die berühmte Chronik der Grafen von Zimmern mit ihrer Residenz in Meßkirch berichtet:

„fieng an das concilium zu Costanz, welches von allen nationen Europae, auch von den Indianern, Moren und vilen asiatischen, libischen und scitischen völkern besucht ward, die den mererthail durch vilfältig, ernstlich anhalten kaiser Sigmundi erwegkt, die zwispelt der römischen kirchen hinzulegen und dieselbig gemeiner christenhait zu merung und aufnemen zu reformieren sich understanden. Solch concilium wert biß in das viert jhar, darauf auch herr Johanns von Zimbern der elter sambt seinem son gewesen. Als aber kaiser Sigmund mit sambt dem pabst Martino, auch allen chur- und fürsten, dessgleichen den stenden des reichs, auch andern herrschaften zu Costanz widerumb aufbrachen und hinweg zogen, begab sich, das diser loblich kaiser zu Sigmaringen an der Tonaw bei denen graven von Werdenberg übernacht sein wolt.

Als er nun geen Mösskirch underwegen kam und da neben der statt hinreiten, so bald das herr Johanns von Zimbern der elter innen wardt, der dann mit obgedachtem seinem son das concilium auch besucht, ließ er im gleich alsbald ain tisch für das Angerthor beraiten, also das der kaiser allernechst vor im hinreiten mueste. Als nun des kaisers hofgesünd iezund vil für in komen, und vilgedachter kaiser denselbigen nachruckt und iezundt so nach zu herrn Johannsen von Zimbern kam, das er sein seltzame dischstatt und stillsitzen gesehen mechte, welches sich herr Johanns von Zimbern gar nit annemen, noch achten geberdet, darab der kaiser nit ain clains verwundern het, doch wolbedacht, das solchs ohne ursach nit beschehe; darumb hieß er in erfordern und begert ain bericht zu haben, was er mit seinem stilsitzen gemaint. Herr Johanns zog, wie nit unbillich, gegen dem kaiser ab seinen huet, den er biß daher aufbehalten hett, buckt sich biß auf die knie, entschuldiget sich underthenigclichen, das sollich sein stilsitzen Irer Majestat nit zu verklainerung oder verachtung beschehen; das het er aber damit anzaigen wellen, das er ain freier herr und weder Ir Majestat, oder niemants mit kainerlai phlicht oder glipt verbunden wer, davon auch weder lehen, oder gar nichts het, und zu gnugsamer urkundt weren im und weilandt seinem vattern die regalia und hohen gericht von kaiser Carolo dem vierten, Irer Majestat herrn vattern, hochloblichister gedechtnus, auch andern seinen vordern römischen kaisern und königen, seinen allergnedigisten herrn, allain us gnaden, und altem, langem hergeprachtem prauch, one alle verphlicht gegeben und verlihen worden, vermög deren brieve, die er darüber het und die er Ir Majestat hiemit zaigen was. Als nu kaiser Sigmundt sollichs verstandt, het er nit wenig verwundern darab, erpot sich gar vil gnaden gegen im, des Ir Majestat herr Johanns von Zimbern hinwider underthenigen dank sagt.“

Der Graf von Zimmern liefert knappe Angaben zu den Themen des Konzils, zur entscheidenden Rolle König Sigismunds, zu den internationalen Teilnehmern, wichtiger aber war ihm das selbstbewusste Auftreten seines Vorfahren gegenüber dem König und die Demonstration seines Ranges als freier Herr ohne alle Lehensverpflichtungen.

Die Familienchronik der Grafen von Montfort aus dem 17. Jahrhundert beschränkt sich auf folgende Notizen:

Alß Anno 1414 daß grosse Concilium zu Constanz angestelt ware, ist auch Grav Rudolff mit einem ansehenlichen Comitat von 30 Pferdten alda erschinen. Und da Bapst Joannes XXIII., den 28. October bemelten Iars in die Statt Constanz mit grosser Solemnitet eingeritten, hat ihme iezt ernandter Grav Rudolff von Montfort, alß deß H[ailigen] Röm[ischen] Reichs Landtvogt in Schwaben, in Namen deß ganzen Schwabenlands, zu welchem Constanz gehörig ware, daß Pferdt under dem Himel, so ob den Pabst getragen wurde, an der Handt geführet, welchem er volgends wie auch dem anwesenden Kaiser Sigismundo gebührend auffgewartet, nit ohne grossen Unkosten, also daß er gleich Anno 1415 (vermutlich gleichsam genöthiget) Hainrichen von Reischach die Gravschafft Fridberg und Herrschafft Schär umb 8400 Gulden auf drey Jar lang verpfändet hat. Doch ist ihme hernach von Kaiser Sigmund wider in etwaß geholffen worden, indeme er ihme Anno 1418 von der damahlen der Priesterschafft auffgesezten Geltsteür 2400 Gulden seind angeschafft worden.

Berichtenswert erschien hier also allein, dass ein Graf von Montfort ehrenvolle Dienste beim Einzug des Papstes leisten durfte und dass ihn der weitere Aufenthalt viel Geld kostete, so dass er sogar seine Herrschaft veräußern musste. Erinnernswert war nur, was jeweils die eigene Familie betraf.

Mittlerweile sind die Publikationen über das Konstanzer Konzil kaum mehr überschaubar. Zum Jubiläum sind neue, ernsthafte und schöne Bücher erschienen. Dem breiten Publikum wird allerdings im eingangs zitierten Freilichttheater das Konzil als großer Klamauk vorgeführt. Die beiden Hauptpersonen verstehen rein gar nichts von den Vorgängen. Ich hoffe, es ging den Lesern dieses Textes anders. Trinker: „Es ist alles gesagt.“

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