Elmar L. Kuhn

Eitelhans Ziegelmüller, der Bauernkrieg und Oberteuringen


Statt eines Urteils ein Vermächtnis

Eitelhans Ziegelmüller hat ohne Zweifel zusammen mit den anderen Führern des Seehaufens, dem Junker Humpis von Senftenau, Hauptmann des ganzen Seehaufens, und Dietrich Hurlewagen, Führer des Rappertsweiler Abteilungshaufens, maßgeblich zum Weingartener Vertrag und der anschließenden Befriedung beigetragen. Auch verhinderte er jegliche Plünderungen durch seinen Bermatinger Haufen. Seine Rolle wird, wie eingangs zu lesen war, sehr unterschiedlich eingeschätzt. Der unbekannte Salemer Mönch lobte ihn in seiner Chronik sehr dafür, dass er seine „Hand so treulich über das Kloster“ gehalten habe. Die Herren lohnten seine Verdienste mit einer „Verehrung“, einem Geldgeschenk von zwei Gulden, immerhin zwei Drittel seiner Jahresabgaben. Das kann als eindeutiger Beweis angesehen werden, dass er in ihrem Sinne handelte. Und seine weitere Karrierre zeugt ebenfalls davon, wie positiv die Herrschaften seine Rolle und seine Fähigkeiten im Bauernkrieg einschätzten. Im übrigen hat keinem der Führer des Seehaufens ihre Rolle im Bauernkrieg geschadet, mit der einzigen Ausnahme von Dietrich Hurlewagen, der sich zwischen alle Stühle gesetzt hatte. Alle Unterführer des Bermatinger Haufens behielten ihre vorigen lokalen Ämter oder stiegen nach 1525 sogar noch auf. Keiner hat es freilich so weit gebracht wie Ziegelmüller.

In der heutigen Geschichtsschreibung und in der Literatur kommen die Führer allerdings nicht so gut weg. Zwei Sehweisen sind möglich:

  • Eine negative: Ziegelmüller sah, dass er durch einen Sieg kaum etwas gewinnen, bei einer Niederlage aber alles verlieren konnte. Als er sich entscheiden musste, schreckte er vor der militärischen Auseinandersetzung zurück, die für ihn persönlich nur riskant sein konnte.

  • Etwas positiver: Ziegelmüller schätzte die militärischen Erfolgsaussichten der Bauern pessimistisch ein, gesiegt haben sie schließlich auch sonst nirgends. Durch den Vertrag sah er die Möglichkeit, wenigstens den gegebenen Zustand zu erhalten, Blutvergießen zu vermeiden und durch die Demonstration der Stärke ohne entscheidende Probe, eine gute Verhandlungsposition zu schaffen.

Wir können seinen Charakter im Nachhinein nicht beurteilen, wissen aber, dass die zweite Überlegung, wenn sie angestellt wurde, die richtige war. Die Lage der Bauern hat sich in der Folge nicht mehr verschlechtert, am See nicht, aber letztlich im gesamten Aufstandsgebiet nicht, eher sogar verbessert. Sie hat sich nur dort verschlechtert, wo sich die Bauern nicht erhoben, wie etwa in Ostdeutschland.

Eitelhans Ziegelmüller hatte vielleicht die Möglichkeit, den Gang der deutschen Geschichte entscheidend zu verändern, falls bei Weingarten die Bauern gesiegt hätten. Er hat diese Chance nicht wahrgenommen, wobei offen bleiben muss, ob sie überhaupt bestand. Vor der Wahl, deutsche Geschichte zu machen oder tragisch zu scheitern, hat er den mittleren Weg gewählt: zu sichern, was man hat, allerdings auch das, was er hatte.

Den damaligen Bauern wird der Spruch zugeschrieben: „Geschlagen ziehen wir nach Haus,die Enkel fechten’s besser aus.“

Beides traf nicht zu: Zumindest die Seebauern waren nicht geschlagen, besser haben es die Enkel aber auch nicht ausgefochten und fechten es nicht aus. Heute in Zeiten, wo die Lebenswelt des Eitelhans Ziegelmüller, die bäuerliche Wirtschaftsweise, der Globalisierung geopfert wird, würden wir schon viel erreichen, wenn wir nur unsere jetzigen Lebensbedingungen sichern würden.

Veröffentlicht in: Gerhard K. Sanktjohanser (Hg.):Teuringen. Ein Streifzug durch die Jahrhunderte. Oberteuringen: Gemeinde, 2002, S. 56-85.

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